Das Lied vom Reifen, D 532

The song of frost

(Poet's title: Das Lied vom Reifen)

Set by Schubert:

  • D 532
    Schubert did not set the stanzas in italics

    [February 1817]

Text by:

Matthias Claudius

Text written on December 7, 1780.  First published 1780.

Das Lied vom Reifen

Seht meine lieben Bäume an,
Wie sie so herrlich stehn,
Auf allen Zweigen angetan
Mit Reifen wunderschön!

Von unten an bis oben ‘naus,
Auf allen Zweigelein,
Hängt’s weiß und zierlich, zart und kraus,
Und kann nicht schöner sein;

Und alle Bäume rund umher,
All’ alle weit und breit,
Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr,
In gleicher Herrlichkeit.

Und sie beäugeln und besehn
Kann jeder Bauersmann,
Kann hin und her darunter gehn,
Und freuen sich daran.

Auch holt er Weib und Kinderlein
Vom kleinen Feuerherd,
Und Marsch mit in den Wald hinein!
Und das ist wohl was wert.

Einfältiger Natur-Genuß,
Ohn’ Alfanz drum und dran,
Ist lieblich, wie ein Liebeskuss
Von einem frommen Mann.

Ihr Städter habt viel schönes Ding,
Viel Schönes überall,
Credit und Geld und golden Ring,
Und Bank und Börsensaal;

Doch Erle, Eiche, Weid’ und Ficht’
Im Reifen nah und fern –
So gut wirds euch nun einmal nicht,
Ihr lieben reichen Herr’n!

Das hat Natur, nach ihrer Art
Gar eignen Gang zu gehn,
Uns Bauersleuten aufgespart,
Die anders nichts verstehn.

Viel schön, viel schön ist unser Wald!
Dort Nebel überall,
Hier eine weiße Baumgestalt
Im vollen Sonnenstrahl

Lichthell, still, edel, rein und frei,
Und über alles fein! –
O aller Menschen Seele sei
So lichthell und so rein!

Wir sehn das an, und denken noch
Einfältiglich dabei:
Woher der Reif, und wie er doch
Zu Stande kommen sei?

Denn gestern Abend, Zweiglein rein!
Kein Reifen in der Tat! –
Muss einer doch gewesen sein,
Der ihn gestreuet hat!

Ein Engel Gottes geht bei Nacht,
Streut heimlich hier und dort,
Und wenn der Bauersmann erwacht,
Ist er schon wieder fort.

Du Engel, der so gütig ist,
Wir sagen Dank und Preis.
Oh mach’ uns doch zum heil’gen Christ
Die Bäume wieder weiß!

The song of frost

Look at my beloved trees,
How majestically they are standing,
All their branches having been spread
With stunningly beautiful hoar frost!

From top to bottom,
On all the twigs,
It is hanging white and delicate, tender and twisted,
And it could not be more beautiful;

And all the trees round about,
Absolutely all of them as far as the eye can see,
Are standing there adorned with the same glory,
In the same majesty.

They can be seen and gaped at
By any of the farm-workers,
He can go up and down
And take pleasure in them.

He even brings his wife and kids
Away from the fire-side,
And they process together into the woods!
And that is well worth doing.

Simple enjoyment of nature,
With no complicated ins and outs,
Is lovely, like a loving kiss
From a pious man.

You townspeople have lots of beautiful things,
A great deal that is beautiful in general,
Credit and money and golden rings,
And banks and stock exchanges;

But alder trees, oaks, pastures and spruce trees
Covered in hoar frost near and far –
You do not have anything as good as that
You dear rich lords!

That is something that nature, in its own way
And following its own path,
Has reserved for us farming people
Who understand nothing else.

So very beautiful, our woods are so very beautiful!
Over there mist is everywhere,
Here there is the shape of a white tree
In full sunlight

Bright light, quiet, noble and free,
And, on top of everything, refined! –
May all human souls be
As brightly lit and as pure!

We look on that and we think
About it in a simple way:
Where did the frost come from, and how
Did it come to be like that?

Because yesterday evening, pure twig!
There was no sign of any frost! –
There must have been someone
Who scattered it!

One of God’s angels goes around at night
Secretly scattering here and there,
And when the farm labourer wakes up
He has already gone away.

You angel, who are so good,
We offer you our thanks and praise.
Oh, for the sake of the blessed Christ, just make
The trees white again!

Themes and images in this text:

Frost and iceNear and farTrees (general)White



When published, the poem had the following heading:

d.d. den 7. December 1780. Wandsbeck   
Sirach C. 43. v. 21.   

Er schüttet den Reiffen   
auf die Erde wie Salz.

7th December 1780. Wandsbeck
Ecclesiasticus Chapter 43 verse 19

He shakes hoarfrost
over the earth, like salt.

Hoar frost is composed of tiny ice crystals and is formed by the same process as dew, but when the temperature of the surface is below freezing point. The 'feathery' variety of hoar frost forms when the surface temperature reaches freezing point before dew begins to form on it. A 'white' frost, composed of more globular ice, occurs when the dew forms first, then subsequently freezes. The presence of fog tends to prevent the formation of hoar frost as it reduces the potential for radiational cooling of surfaces.

https://www.metoffice.gov.uk/learning/frost/types-of-frost

The poet sees the effect of the hoar frost on the trees as a sort of adornment, as if the ice crystals are diamonds and pearls hanging from all the branches. As a result, these old friends appear to be standing proud, robed in white and sparkling with jewels to express their majesty. They always were ‘herrlich’ (lordly, majestic), but now their splendour is on display for all to admire.

Original Spelling

Das Lied vom Reifen

Seht meine lieben Bäume an, 
Wie sie so herrlich stehn, 
Auf allen Zweigen angethan 
Mit Reiffen wunderschön!  

Von unten an bis oben 'naus, 
Auf allen Zweigelein, 
Hängts weis und zierlich, zart und kraus, 
Und kann nicht schöner seyn;  

Und alle Bäume rund umher, 
All' alle weit und breit, 
Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr, 
In gleicher Herrlichkeit.  

Und sie beäugeln und besehn 
Kann jeder Bauersmann, 
Kann hin und her darunter gehn, 
Und freuen sich daran.  

Auch holt er Weib und Kinderlein 
Vom kleinen Feuerheerd, 
Und Marsch mit in den Wald hinein! 
Und das ist wohl was werth.  

E i n f ä l t i g e r  Natur-Genuß, 
Ohn' Alfanz drum und dran, 
Ist l i e b l i c h , wie ein Liebeskuß 
Von einem frommen Mann.  

Ihr Städter habt viel schönes Ding, 
Viel Schönes überall, 
Credit und Geld und golden Ring, 
Und Bank und Börsensaal;  

Doch Erle, Eiche, Weid' und Ficht' 
Im Reiffen nah und fern - 
So gut wirds Euch nun einmal nicht, 
Ihr lieben reichen Herr'n!  

Das hat Natur, nach ihrer Art 
Gar e i g n e n  Gang zu gehn, 
Uns Bauersleuten aufgespart, 
Die anders nichts verstehn.  

Viel schön, viel schön ist unser Wald! 
Dort Nebel überall, 
Hier eine weiße Baumgestalt 
Im vollen Sonnenstrahl  

Lichthell, still, edel, rein und frey, 
Und über alles fein! - 
O aller Menschen Seele sey 
So lichthell und so rein!  

Wir sehn das an, und denken noch 
Einfältiglich dabey: 
Woher der Reif, und wie er doch 
Zu Stande kommen sey?  

Denn gestern Abend, Zweiglein rein! 
Kein Reiffen in der That! - 
Muß einer doch gewesen seyn, 
Der ihn gestreuet hat!  

Ein Engel Gottes geht bey Nacht, 
Streut heimlich hier und dort, 
Und wenn der Bauersmann erwacht, 
Ist er schon wieder fort.  

Du Engel, der so gütig ist, 
Wir sagen Dank und Preis. 
O mach' uns doch zum heil'gen Christ 
Die Bäume wieder weis!

Confirmed by Peter Rastl with Schubert’s probable source, ASMUS omnia sua SECUM portans, oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen, IV. Theil. Beym Verfasser, und in Commißion bey Friedrich Perthes in Hamburg. [1782], pages 7-10.

To see an early edition of the text, go to page 7 [18 von 266] here: https://download.digitale-sammlungen.de/BOOKS/download.pl?id=bsb10924595